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pm 0945 JUN 2018

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Sommerausgabe des pfalz-magazins. Zeitfenster Juni bis einschließlich August 2018

Kulinarisches Essig

Kulinarisches Essig Pestdoktor im 16. Jahrhundert (siehe Text) Grafik: Thomas Steinmetz; Foto: ©Doktorenhof — ein Elixier für Körper und Geist Essig ist eines der ältesten Kulturgüter, die der Mensch kennt. Im alten China galt der Essigkrug als Symbol des Lebens. Auch wird dort Essig als „der beste Freund“ von Heilkräutern bezeichnet. Sogar als Mittel gegen schlechte Laune wurde er eingesetzt, da er appetitanregend wirkt und „Lust auf mehr“ machte. Vielleicht daher der Spruch „sauer macht lustig!“ Die Hochkulturen des Altertums – Ägypter, Perser, Römer, Griechen und Babylonier – stellten bereits Essig her. Essig ist keine Erfindung des Menschen, denn eigentlich war es die Natur selbst, denn es ist ein ganz natürlicher Prozess, dass süßes Obst sich nach eine gewissen Zeit zersetzt und Mithilfe von Hefezellen vergoren wird und sich Essigbakterien bilden. Schon im Altertum war Essig, aus sauer gewordenen Fruchtsäften mit Wasser gemischt, als kühlendes Getränk geschätzt. Auch zur Konservierung wurde Essig verwendet, so legte man die Jagdbeute in Dattelessig. Die medizinische Anwendung von Essig bei Atemwegserkrankungen und Verdauungsbeschwerden ist schon durch Hippokrates überliefert. L.J.M. Columella, der bedeutendste Ackerbauschriftsteller des ersten nachchristlichen Jahrhunderts, berichtet in seinem Werk „De re rustica“ sehr ausführlich über die Möglichkeiten, Essig herzustellen. Seine Ausgangsstoffe waren Wein, Feigen und Gerste. Im Mittelalter galt insbesondere Kräuteressig als Heilmittel. Hildegard von Bingen, Nostradamus und Florenz von Venningen berichten in ihren Schriften über die Wirkungsweise und Verwendung der im acetum sanum extrahierten Heilpflanzen. Vorwiegend zur Desinfektion wurde damals der menschliche Körper verschiedensten Einreibungen mit Essig unterzogen. Auch Sebastian Kneipp, Pfarrer und Naturheilkundiger im aus dem 19. Jahrhundert, empfahl seinen Patienten Waschungen mit Essig. Essig durchdringt innerhalb von wenigen Minuten die Hautschichten und gelangt somit schnell in den Blutkreislauf. Von dort wirkt er auf das Gewebe, die Organe, die endokrinen Drüsen sowie auf den gesamten Organismus. Aus dem 16. Jahrhundert stammen die Überlieferungen, dass sich die Menschen mittels dem Essig, welcher in den Räumen verdunstet wurde, vor den Pestbakterien und andern Erregern schützten. Bekannt sind aus der Geschichte die schnabelartigen Masken, welche die Pestärzte trugen und in denen sich ein in Essig getränktes Tuch befand (siehe Grafik oben). Dies sollte so die Übertragung der Pestbakterien verhindern. Behälter und Geräte, die in der Medizin Verwendung fanden, wurden mit Essig gereinigt. Ab dem 16. Jahrhundert wurden die ersten Steuern auf Produkte mit oder aus Essig erhoben. Heute wird für Gebrauchsessig der ermäßigten Steuersatz von 7% erhoben, während Aperitif- oder Digestif-Essige mit dem erhöhten Steuersatz berechnet werden. 80

Vor allem das Einlegen von Gemüse in Essig und die Herstellung von Marinaden für Salate war damals in Frankreich sehr beliebt und auch heute wird es gern in der Küche verwendet. In der Schönheitspflege diente Essig wegen seiner reinigenden und desinfizierenden Wirkung bis hin zur Behandlung hartnäckiger Hautkrankheiten. Bereits die alten Römer schätzten den Essig als Badezusatz, denn es fördert die Durchblutung, wirkt hautstraffend und zieht Gifte aus der Haut. Bereist nach wenigen Minuten gelangen die Inhaltsstoffe durch die Hautschichten und wirken sich positive auf alle Organe aus. Essig in der Bibel Im Buch Ruth (2,14) fordert Boas Ruth auf: „iss vom Brot und tauche deinen Bissen in den Essigtrank!“ Und in 4. Mose 6,3 heißt es: „...der soll sich Weins und starken Getränks enthalten; Weinessig oder Essig von starkem Getränk soll er auch nicht trinken.“ Im Neuen Testament wird in den Evangelien berichtet, dass Jesus am Kreuz ein Schwamm, getränkt mit Essig, gereicht wurde. Im Doktorenhof in Venningen kann man die Geschichte der Essigherstellung hautnah erleben. Georg-Heinrich Wiedemann hat dies zu seiner Passion gemacht. Bekannt als der „Essig-Papst“ nimmt er die Besucher mit auf eine Entdeckungsreise in die Welt der Essige. Vor Ort kann man diese Vielfalt erleben und bei einer Kellerführung verkosten. Essigdegustation mit Kellerführung und Kräuterkammerrundgang im Doktorenhof in Venningen Bei einer Kellerführung mit Kräuterkammerrundgang und Essigdegustation erfährt man Mystisches, Geschichten, Anekdoten und viel Wissenswertes über den Essig und die Herstellung, Wirkweise und Kulinarisches. Man taucht ein in eine „Zeit saurer Sinnlichkeiten“ und ist überrascht über die Vielfältigkeit der verschiedenen Essigaromen. Nach der Begrüßung in der Essigstube begibt man sich bekleidet mit dunklen Roben durch das Sacrosanctum – das Allerheiligste – in den kerzenbeleuchteten Essigkeller. Die Luft ist geschwängert vom Essigduft und jetzt heißt es tief Durchatmen, denn die Essigdämpfe sind ein reines Elixier für die Gesundheit, besonders für die Atemwege. Bei dieser Führung werden auch die Doktorenhof Kräuterkammern geöffnet und eine Senfkreation zur Verkostung angeboten. Bei der anschließenden Essigdegustation werden drei verschiedene Aperitif-Essige verkostet und dazu wird Essiggebäck, Essigpralinen und Sauerteigbrot gereicht. Die sinnlich-säuerlichen (Ver-)Führungen finden Samstags von 9 bis 13 Uhr statt, Dauer: 90 Minuten, 25,– Euro pro Person Alle Termine und Infos unter: www.doktorenhof.de/essigfuehrung Noch mehr Informationen kann man nachlesen: Das Buch vom guten Essig von Georg-Heinrich Wiedemann Ein Buch über die Herstellung, Geschichte und Gesundheit. Mit zahlreichen Infos und ganz besonderen Rezepten für die Zubereitung feinster Speisen und Getränke ISBN 978-3-89060-637-8 81