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Pfalz-Magazin Winter 52-2019

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Winterausgabe des Pfalz-Magazins. Geschenke, Weihnacht, Kulinarik und Wein.

ANOGAST Bericht Nr.46

ANOGAST Bericht Nr.46 „Milano“ Talstraße 1 | 67434 Neustadt a.d.W. Telefon: 06321 899 733 besucht am Di. 6. August 2019 (Abendessen) „M ailand oder Madrid – Hauptsache Italien!“, so wird der gute Andy Möller wohl noch in hundert Jahren zitiert, obgleich sich jener an seine wohl berühmtesten Worte heute nicht mehr so recht erinnern mag. Wir, die Redaktion vom Pfalz - Magazin, erinnern uns dagegen noch ganz gut an die mächtigen Pizzen, die wir beim Besuch dieses alteingesessenen Ristorantes in Neustadt an der Weinstraße vorgesetzt bekamen. Das Milano, zu dem auch eine gleichnamige Pizzeria in Landau gehört, hat sich mit durchmesserstarken, tomatisierten Hefeerzeugnissen aus dem gemauerten Holzofen bei Freunden überdimensionierter Rundbackwaren einen Namen gemacht. Seit gut 15 Jahren existiert das von einem Pizza-Konsortium aus Südosteuropa betriebene Lokal in der Neustadter Talstraße. Es erwartete uns ein etwas in die Jahre gekommener Gastraum, der seine besten Zeiten schon ein paar Tage hinter sich zu haben schien. In der großräumigen Abfütterungshalle war schätzungsweise ein Viertel der Plätze belegt. Wir setzten uns gleich an den ersten Tisch zu unserer Linken – den Thekenbereich und den Pizzaofen in unmittelbarer Sichtweite. Das abgewetzte Fischgrätparkett, die rustikalen Holzbalken an der Decke sowie die mit Weinbaumotiven verzierten Fensterscheiben gemahnten an alte Zeiten, in denen hier noch die Winzergenossenschaft das kulinarische Sagen hatte. Das war schon eine Weile her. Zwischenzeitlich tobten sich in den Räumlichkeiten mehrere Chinesen gastronomisch aus, ehe das Milano Einzug hielt. Mehr Informationen waren unserem Wirt dann doch nicht zu entlocken. So oder so schien ihn unser Nachhaken eher zu nerven, als ihn in eine echte Konversation zu verstricken. Ein nicht komplett unsympathischer Gastrokauz, aber einer mit etwas zu kumpelhaftem Auftreten, das bei seinen Stammgästen wahrscheinlich besser ankommt als bei Neuankömmlingen. Völlig in Ordnung gehen im Milano die Getränkepreise. Der halbe Liter Radler belief sich auf 2,90 Euro. Das gleiche Geld legte man übrigens auch für ein kleines Export-Bier auf den Tisch. Das Viertel Lambrusco wurde für gängige 3,50 Euro aus der Flasche gelassen, während die Flasche Mineralwasser mit 4,50 Euro zu Buche schlug. Für Neustadt-City waren das akzeptable Preise, die hier abgerufen werden. Nun blätterten wir uns durch das umfangreiche Pizza- und Pastafibel, die ganz „oldschool“ aus einer eingehefteten Sammlung bedruckter DIN-A4-Blätter, die schmucklos-funktional in Klarsichthüllen steckten, bestand. Gleich beim Teigfladensortiment wurde ich stutzig. Handelte es sich bei den Angaben zum Durchmesser der drei Auslieferungsgrößen: klein – mittel – groß etwa um einen Druckfehler? 35 (klein), 37 (mittel) und 40 (groß) Zentimeter standen als Vergleichsmaße über den gestaffelten Preisangaben. Fotos: Marco Rieder 62

Zwischen klein und groß lagen nur maximal zwei Euro Preisdifferenz. Trotz weitgehend leerem Lokal ließ sich unsere Bedienung Zeit, die Bestellung aufzunehmen. Da wurde zuerst entspannt abkassiert. Dann mit der gleichen Gelassenheit der Nebentisch abgeräumt. Sollten sich die hungrigen Gäste an Tisch 1 doch erst einmal an der folierten Speisekarte sattsehen. Sein Ignorieren hatte anscheinend Methode. Unser Hunger ließ die Durchmesserangaben auf der Karte subjektiv schrumpfen. Die Folge: eine mittlere Margherita (7 Euro), eine mittlere Salami (7,50 Euro) und eine große Capricciosa (9 Euro) wurden geordert. Einer bestellte sogar noch eine Tortellini-Brühe (4,50 Euro) zu seiner mittleren Pizza Pescatore (8,50 Euro) dazu. Keine Ahnung warum. Er dachte wohl, er würde nicht satt werden. Der mit reichlich gestocktem Eigelb und drei Tortellini servierten Brühe hatte Mama Maggi geschmacklich auf die Sprünge geholfen. Die sehr heiße und leider auch recht salzige Suppe erzeugte ein leichtes Bitzeln auf der Zunge. Ein Schelm, der „Glutamates“ dabei denkt. Geschmacklich überzeugte sie nicht. Da riss es auch die gefüllte Pasta-Einlage nicht raus. Sättigung abzielenden Volksgerichts war die wohldosierte Menge an Käse, mit der man es nicht auch noch übertrieben hatte. Auch ein Blick in die Runde verriet: mit Genuss hatte das alles wenig zu tun. Eher mit schweißtreibender Arbeit. Die dafür nicht besonders geeigneten Messer taten bei zunehmender Kältestarre ihr Übriges. Wie sagte ein großer Kenner der italienischen Teigfladenszene einmal treffend: „Gut zubereitete Pizza darf keine Arthrose im Zeigefinger durch Messerdruck verursachen…“. Recht hat er. Fazit: Selten haben wir in den letzten Jahren eine solch ernüchternde Erfahrung am eigenen Hefefladen machen müssen. Das von uns Verzehrte hatte mit dem italienischen Volksgericht eigentlich nur den Namen gemein. Vielleicht hätten wir an jenem Abend die Pasta vorziehen sollen. Wer weiß. Auf einen Wiederholungsbesuch werden wir es nicht anlegen. Da gibt es in der Südpfalz deutlich bessere Adressen. Kurze Zeit später wurden die gewaltigen Rundlinge geliefert. Schon der Anblick der mächtigen, mit Thunfisch, Krabben, Muscheln belegten Meeresfrüchtepizza ließ den Hunger schwinden. Etwas unappetitlich auch die Tatsache, dass sie weit über den Tellerrand hinausragte und sich deshalb auf einer Seite bis zur Tischdecke hinab wölbte. Wenn man schon so exorbitant große Teigscheiben aus dem Ofen zieht, könnte man sie ja wenigstens auf die passenden Teller legen. Der Rand zu dick, der Boden wenig knusprig und die unscheinbare Tomatensauce der Billigdose entronnen. So könnte man die kulinarischen Attribute unserer vier Pizzen kurz auf den Punkt bringen. Was an Masse vorhanden war, fehlte leider dem Belag an Klasse. Die aus dem Glas oder der Dose stammenden Meeresfrüchte fielen deshalb ziemlich geschmacksneutral aus. Einziger Pluspunkt dieses ganz auf Skala 6 5 4 3 2 1 nicht zu empfehlen — empfehlenswert — sehr zu empfehlen 63

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