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pfalz-magazin Winter 21-22

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Sonstiges Weihnachten

Sonstiges Weihnachten — wonach duftet es eigentlich ? W ir hoffen so sehr, dass dieses Jahr wieder viele Weihnachtsmärkte ihre Pforten öffnen dürfen und dann die vertrauten Düfte von Glühwein, Lebkuchen und Tannengrün über das Land ziehen. Die Vorfreude auf das Weihnachtsfest steigt, wenn wir wieder gemeinsam mit der Familie Weihnachten feiern. Weihnachtsduft – da kommen uns Gerüche wie frische Tanne, Lebkuchen, Spekulatius, Glühwein, Zimt, Orange oder auch Vanille und Anis in den Sinn – eine Aroma- Symphonie für die Nase. In Wirklichkeit jedoch riecht Weihnachten für jeden Menschen anders. Eine große Rolle spielen dabei wohl Kindheitseinflüsse und Familientraditionen, gab es doch früher diese köstliche Weihnachtsgans à la Mama, dann löst der Geruch nach frischer Gänsekeule eine wohlige Weihnachtsstimmung aus. Bis zum 16. Jahrhundert kam in Deutschland übrigens nur die „Mettensau“, ein Schweinebraten, auf den Tisch. Als Mettensau oder auch Weihnachter wurde in der bäuerlichen Tradition ein Schlachtschwein bezeichnet, das in der Vorweihnachtszeit besonders nahrhaft gemästet und am Thomastag, dem 21. Dezember, geschlachtet wird. Nach der Christmette am 24. Dezember steht dann dieser Schweinebraten als Festmahl auf dem Tisch. Der Geruchssinn unterhält enge Wechselbeziehungen mit dem vegetativen Nervensystem. Dieses System besteht größtenteils aus motorischen Neuronen und versorgt Drüsen, glatte Muskeln und das Herz mit Informationen. Vertraute und mit positiven Erinnerungen verknüpfte Gerüche können daher Wohlbefinden auslösen – im Umkehrschluss führen schlechte Gerüche dementsprechend zu Übel- (launig)keit. Ein Glück, dass sich der Weihnachtsduft meist aus ätherischen Ölen und Wärme vermittelnden Inhaltsstoffen zusammensetzt, wie etwa Nelke, Zimt oder auch Koriander. Wie vieles im Leben, wird auch der typische Weihnachtsduft vom Zeitgeist bestimmt. So war es vor einigen hundert Jahren noch nicht üblich, einen Weihnachtsbaum aufzustellen. Die ersten Aufzeichnungen über den Christbaum als einen allgemein üblichen Brauch stammen aus dem Jahre 1605, wie so viele Überlieferungen aus dem Elsass. „Auff Weihnachten richtet man Dannenbäume zu Straßburg in den Stuben auf. Daran henket man Roßen auß vielfarbigem Papier geschnitten, Aepfel, Oblaten, Zischgold (dünne, geformte Flitterplättchen aus Metall) und Zucker“. Von Johann Wolfgang von Goethe stammt eine der ersten Erwähnungen des Weihnachtsbaums in der deutschen Literatur. 86

Fotos: Pixabay In dem Briefroman „Die Leiden des jungen Werther“ (1774) besucht der Protagonist am Sonntag vor Weihnachten die von ihm verehrte Lotte und spricht von den Zeiten, da jemandem die unerwartete Öffnung der Türe und die Erscheinung eines „aufgeputzten Baumes“ mit Wachslichtern, Zuckerwerk und Äpfeln in paradiesisches Entzücken versetzte. Für uns ist heute dieses Tannen-Aroma nicht mehr wegzudenken. Auch kulturelle Unterschiede bestimmen den Duft zur Weihnachtszeit. Während bei uns der Duft von Lebkuchen und Bratäpfeln vorherrscht, assoziieren die Menschen im US- Bundesstaat Florida vor allem würzige Geflügel-Bratendüfte mit Weihnachten, denn dieses schwere, fettige und aufwendig gekochte Essen kommt in einem Land mit einer Durchschnittstemperatur von rund 27 Grad Celsius doch nur selten auf den Tisch. Aber auch bei uns wird es meist erst richtig weihnachtlich, wenn am Heiligabend der Duft von Gänsebraten das Haus erfüllt, denn das ist oft etwas, worauf wir so lange gewartet haben – und dazu gibt es natürlich Klöße und Rotkraut. Wir Pfälzer machen meist noch Kastaniengemüse dazu. Roch es früher zu Weihnachten etwa anders? Da ich selber im Erzgebirge groß geworden bin, denke ich dabei sofort an den Geruch von Weihrauch, den die „Raachermänneln“ (Räuchermännchen) verströmten. Dabei wurde ein Räucherkegel angezündet und in den Bauch des Räuchermännchens gesteckt. Die Rauchwölkchen kamen dann aus dem Mund des Männleins und bliesen den weihnachtlichen Duft in den Raum. Mitterweile gibt es diese Holzfiguren in zahlreichen Varianten und sind zu einem überaus beliebten Sammelobjekt geworden. Ein sehr markantes Motiv ist auch die rundliche Räucherfrau mit der dampfenden Kloßschüssel. Auch die Duftkegel gibt es oft in zahlreichen Duftmischungen, die nichts mehr mit Weihnachten zu tun haben, wie beispielsweise Veilchen und Vanille. Bei uns roch es nach Weihrauch, eigentlich der typischste Weihnachtsduft. Als sich vor über 2.000 Jahren die drei Weisen aus dem Morgenland auf eine weite Reise begaben, trugen sie Gold, Weihrauch und Myrrhe bei sich und brachten diese als kostbarste Geschenke dem Jesuskind (Matth. 2,11). In der damaligen Zeit waren dies bedeutende Arzneimittel und echte Kostbarkeiten. Arme Menschen konnten sich diese Gewürze nicht leisten, deshalb bezeugten die Weisen mit diesen Gaben ihre besondere Wertschätzung Jesus gegenüber. Aber wie roch es damals wirklich zu Weihnachten? Weihnachten damals in Bethlehem – da hätte es für unsere Nasen bestimmt kaum weihnachtlich gerochen, sondern wohl eher nach dort Alltäglichem. Bestimmt auch nach Pinien, Oliven, Holzfeuer, Arbeit, Mühe, Schweiß und Sorgen. Die hochschwangere Maria wurde zu einer Reise von der römischen Besatzungsmacht gezwungen und sie hatte große Sorgen, ein Kind unter diesen Umständen zur Welt zu bringen Da war dann auch noch die gefährliche und wenig geachtete Arbeit der Hirten. Die Einsamkeit derer, die eben nicht in den sicheren warmen Häusern und Betten übernachten, sondern irgendwo draußen auf den Feldern. Und gerade sie erhielten als Erste die frohe Nachricht von der Geburt Jesu. Das war damals in Bethlehem so und ist heute nicht anders. Gott hätte auch königlich als Mensch geboren werden können, inmitten von frischduftenden weißen Kissen, in einem sauberen, warmen Raum, sicher und geborgen. Doch dann wäre es nicht die Weihnachtsgeschichte! Hier geht es um viel mehr. Gottes Sohn wird mitten in unseren Alltag hinein geboren, genau da, wo der Wohlgeruch fern bleibt, wo es oft kriselt, wo Menschen einsam sind und an ihrem Leben zweifeln. Im Stall von Bethlehem hat es sicherlich übel gerochen! Und das ist schon ein Grund, Weihnachten zu feiern. RS f 147 97