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Mark Twains

Mark Twains Deutschlandreise Der Amerikaner Mark Twain (1835 – 1910) war 1878 auf Deutschlandreise. Im Sommer war das Land für ihn „der Gipfel der Schönheit“. Auch über die Deutschen äußerte er sich positiv – trotz der „ungekämmten Idioten“, denen er am Neckar begegnete, und des „Lohengrin“ in der Mannheimer Oper, den er für „Katzenmusik“ hielt. A merikaner lieben Heidelberg und den Black Forest – den Schwarzwald. Mag sein, dass sich abzeichnende Geldschwierigkeiten des amerikanischen Schriftstellers Mark Twain und das ungeduldige Drängen seines Verlegers dazu beigetragen haben – letzterer bestand auf die vertragsgemäße Lieferung neuer Buchmanuskripte. Twain, der mit „Tom Sawyers Abenteuer“ und „Huckleberry Finns Abenteuer“ weltberühmt geworden war, musste sich vor 143 Jahren etwas einfallen lassen, um nicht in finanzielle Probleme zu geraten. Zentraler Ort von Twains Europareise ist Heidelberg. Der Stadt und ihrer Umgebung widmet Twain mehr Raum als jedem anderen Ziel seiner eigentlich geplanten „Fußwanderung“, die aber dann doch keine war. Mark Twain reiste, wo es ging, per Bahn, auch wenn er hier und da in Wanderschuhen durch die Wälder um Heidelberg oder durch den Nordschwarzwald streifte. Er beschreibt in seinem Buch „Reise durch Deutschland“ Heidleberg folgendermaßen: „Man glaubt, Heidelberg – mit seiner Umgebung – bei Tage sei das Höchstmögliche an Schönheit; aber wenn man Heidelberg bei Nacht sieht, eine herabgestürzte Milchstraße, an deren Rand jenes glitzernde Sternbild der Eisenbahn geheftet ist, dann braucht man Zeit, um sich das Urteil noch einmal zu überlegen.“ Und weiter schreibt er: „Man wird nie müde, in den dichten Wäldern herumzustöbern, die alle diese hohen Neckarberge bis an ihre Gipfel umkleiden.“ Die Sicht vom Hotel aus: „Hinaus auf die weite Rheinebene, die sich sanft und in satten Farbtönen hin dehnt, allmählich und traumhaft verschwimmt und schließlich unmerklich mit dem fernen Horizont verschmilzt.“ Aber alles darf man doch nicht glauben, was Mark Twain über seinem Bummel berichtet. Dass es für die „stöhnenden und schnaufenden“ Dampfschiffe auf dem Neckar eine besondere Antriebsart gab, stimmt. Aber Mark Twain fuhr angeblich mit einem Floß auf dem Neckar. Mit den Flößern war er auf dem Fluss unterwegs auf der Reise von Heilbronn zurück nach Heidelberg und geriet in extrem gefährliche Stürme; das ist reine Dichtung. Twain, der solch ein Floß gechartert haben will, weil dessen Kapitän sonst keine Passagiere mitnehmen durfte, trägt dick auf. Im erfundenen Unwetter sagte der Kapitän, dass er seit vierzig Jahren auf dem Neckar Seemann sei und habe in dieser Zeit Stürme erlebt, die die Wangen erbleichen und den Puls stocken lassen konnten, aber noch nie, niemals habe er einen Sturm erlebt, der an diesen auch nur entfernt heranreichte. Das war also reines Seemannsgarn In der Mannheimer Oper hat Mark Twain „Lohengrin“ gehört und fand das schrecklich. „Wenn er jetzt denkt, er singt, singt er überhaupt nicht, nein; er macht nur wie eine Katze, der übel ist“. Fotos: Fotolia Sven Hoppe, Pixabay 16

Vier Stunden waren sie auf ihren Plätzen gesessen und verstanden überhaupt nichts außer Donner und Blitz, und selbst das hatte man umgekehrt, um sie der deutschen Vorstellung anzupassen. Denn der Donner kam zuerst und der Blitz danach. Staunend registriert Twain, dass das Publikum hier wartet, bis am Ende des Stücks Ruhe herrscht, bevor geklatscht wird, während Amerikaner doch schon während der Schlussszenen mit dem Applaus beginnen. Später ging die Reise weiter nach Baden-Baden, denn auch dieser Ort ist unter betuchten Amerikanern sehr bekannt. „Drei Mal am Tag spielt vor dem Kurhaus eine gute Musikkapelle und nachmittags und abends wimmelt dieser Ort von elegant gekleideten Leuten beiderlei Geschlechts, die an dem großen Musikpodium vorbei auf und ab wandeln und sehr gelangweilt aussehen, obwohl sie so tun, als wären sie es nicht.“ Baden-Baden muss ihn also nicht besonders beeindruckt haben, denn er schreibt weiter, dass man überall auf leeren Schein, Betrug und Aufgeblasenheit treffe, aber die Bäder seien gut! Twain wählt in einer Gaststätte sorgfältig einen Wein zu seinem Essen aus. Dort machte er folgende Beobachtung: Der Wirt notierte die Bestellung, suchte ein vermeintlich passendes Etikett aus, klebt es auf eine Flasche und entfernt ein anderes, das noch nass vom Klebstoff ist. Die Flasche passe nun besser zur Bestellung. Während seiner Deutschlandreise habe Mark Twain sich furchtbar mit der deutschen Sprache gequält: „Die deutsche Sprache sollte sanft und ehrfurchtsvoll zu den toten Sprachen abgelegt werden, denn nur die Toten haben die Zeit, diese Sprache zu lernen“ – sein berühmtes Essay „Die schreckliche deutsche Sprache“ ist auch Teil des Buches. Sein Ziel, die angeblich schreckliche deutsche Sprache zu erlernen, verwirklicht Mark Twain nicht. Deutsch verwirrt ihn. „Ein Baum ist männlich, seine Knospen sind weiblich, seine Blätter sächlich, Pferde sind geschlechtslos, Katzen sind weiblich – natürlich einschließlich der Kater. Im Deutschen hat ein Fräulein kein Geschlecht, während eine Rübe eines hat.“ Von Baden-Baden aus startet der Amerikaner dann zum üblichen Abstecher in den Schwarzwald. Auf dieser Wanderung fielen ihm die vielen Kruzifixe entlang des Weges auf. Sie „sind … fast so häufig wie anderswo die Telegrafenmasten“. Eine eingehende Beschreibung der Schwarzwaldhöfe erspart er sich und meinte, so viel müsse reichen: Das charakteristische Merkmal dieser Häuser ist für ihn der große Misthaufen davor. „Der Mist ist offensichtlich der größte Reichtum des Schwarzwälders – seine Währung, sein Schatz, sein Stolz…“ und urteilte danach, welcher Hof von einem armen Teufel bewohnt werde und wo es dank alpenähnlicher Dungpracht nach Reichtum wie bei einem Herzog riecht. Aber der deutsche Leser will natürlich wissen, wie Twain die Deutschen findet. Und die findet er (auf immerhin 180 Seiten) vorwiegend komisch, aber auch nett und adrett: „Wie sind wir nur auf die Idee gekommen, die Deutschen seien ein stures, phlegmatisches Volk? Tatsächlich sind sie weit davon entfernt. Sie sind warmherzig, gefühlvoll, impulsiv, begeisterungsfähig, beim zartesten Anstoß kommen ihnen die Tränen, und es ist nicht schwer, sie zum Lachen zu bringen.“ Sauberkeit und Ordnung beobachtet Twain allenthalben und stellte fest, dass in Frankfurt alle Leute sauber gekleidet sind. Deutschland-Reise: Mark Twain (1835–1910) besuchte 1878 Hamburg, Frankfurt, Heidelberg, Baden-Baden, den Rhein, Main, Neckar und den Schwarzwald. Foto: Der Neckar, auf dem Mark Twain angeblich mit dem Floß gefahren sei; eine herrlich übertrieben Episode, in der es um Gefahren und Abenteuer geht. Da fliegen die Felsbrocken, da zerschellt das Floß am Brückenpfeiler – Abenteuer pur. 14 15 17